2. Bundesliga

Warum sich DDR-Mannschaften im Europapokal so schwertaten

"Wenn es losging, waren wir oft kaputt"

Warum sich DDR-Mannschaften im Europapokal so schwertaten

0:5 nach 3:0: Frank Rohde und der BFC Dynamo scheiterten 1988/89 an Werder Bremen.

0:5 nach 3:0: Frank Rohde und der BFC Dynamo scheiterten 1988/89 an Werder Bremen. imago images/Horstmüller

Zum Komplett-Desaster kam es im September 1982. Das DDR-Quintett scheiterte kollektiv in der 1. Runde des Europapokals: der BFC Dynamo im Landesmeister-Wettbewerb am Hamburger SV (1:1/0:2), Dynamo Dresden im Pokalsieger-Cup an B 1893 Kopenhagen (3:2/1:2) und im UEFA-Cup Carl Zeiss Jena an Girondins Bordeaux (3:1/0:5), Lok Leipzig an Viking Stavanger (3:2/0:1) und Vorwärts Frankfurt/Oder an Werder Bremen (1:3/2:0). Neben der DDR nicht mehr vertreten ab Runde 2: Zypern, Malta und Luxemburg.

Das war der Tiefpunkt der DDR-Europapokal-Geschichte, und da die verpasste und verpatzte Qualifikation für die WM 1982 auch noch nicht lange zurücklag, wurde für DDR-Maßstäbe schnell reagiert. Im Februar 1983 verabschiedeten der Deutsche Turn- und Sportbund (DTSB), die Dachorganisation des DDR-Sports, und der DDR-Fußballverband DFV den sogenannten zweiten Fußballbeschluss. Neben der Strukturreform der zweithöchsten Spielklasse (DDR-Liga), die ab 1984 von fünf Zwölfer-Staffeln auf zwei 18er-Staffeln reduziert wurde, standen auch Förderquoten für Spieler unter 23 Jahren (in den zweiten Mannschaften der Betriebssportgemeinschaften) und für Spieler unter 21 Jahren (in den zweiten Mannschaften der Fußballclubs) im Mittelpunkt. Ziel war die Stärkung des Unterbaus.

Doch die Hoffnung, nach der WM-Teilnahme der DDR-Nationalmannschaft 1974 und Magdeburgs Europacup-Triumph im selben Jahr noch einmal etwas Vergleichbares auf der großen Bühne zu erreichen, erfüllte sich nicht. Dass es trotz der unbestrittenen individuellen Klasse in den 60er (P. Ducke, Nöldner, Irmscher, Frenzel, Fräßdorf), 70er (Dörner, Streich, Kreische, Häfner, Croy, Weise, Hoffmann, Pommerenke) und 80er Jahren (Sammer, Thom, Kirsten, Doll, Ernst, Steinmann, Stübner) nur zu einem EC-Sieg reichte, hatte Gründe.

Trainingssteuerung und Kopfsache

Thomas Doll, der in der zweiten Hälfte der 80er Jahre mit Andreas Thom ein pfeilschnelles, brandgefährliches Sturm-Duo beim Serienmeister BFC Dynamo bildete, kritisiert im Rückblick Defizite in der Trainingssteuerung: "Wenn im September oder Oktober die Europacup-Saison begann, waren wir oft kaputt - nach acht Wochen mit drei oder vier Trainingseinheiten am Tag." Fehlende mentale Robustheit kam hinzu. "Wenn es darauf ankam", sagt Thom, der wie Doll nach der Wende auch für die gesamtdeutsche Nationalmannschaft spielte, "konnten wir unser Können oft nicht abrufen."

Andreas Trautmann

Dresdens Scheitern in Uerdingen 1986 zählt zu den verrücktesten Aufholjagden überhaupt. imago images/Kicker/Eissner

Die deutsch-deutschen Rückspielpleiten, die Dresden im Pokalsieger-Wettbewerb gegen Bayer Uerdingen 1986 (3:7 nach 3:1-Halbzeitführung und 2:0 im Hinspiel) und der BFC im Landesmeister-Cup gegen Werder Bremen 1988 (0:5 nach 3:0 im Hinspiel) erlebten, gingen in die Geschichtsbücher ein. Bereits ein Jahr vor dem Fiasko von Uerdingen ging Dynamo Dresden, mit 98 EC-Spielen mit mehr europäischer Erfahrung als jeder andere DDR-Klub ausgestattet und die fußballerisch stärkste Mannschaft der DDR in den 70er und bis in die 80er Jahre hinein, spektakulär baden. Im Viertelfinale des Europacups der Pokalsieger kassierten die Sachsen um Dörner, Kirsten, Minge und Häfner im März 1985 nach einem 3:0-Hinspielsieg im Rückspiel bei Rapid Wien ein 0:5. Das Team um Krankl, Weber, Panenka und Pacult machte Dynamo den Garaus.

Streich: "Wir schmorten im eigenen Saft"

"Das war keine Frage des fußballerischen Formats, sondern des Kopfes und der Wettkampfhärte", meinte der 2022 verstorbene DDR-Rekordnationalspieler Joachim Streich. Innerhalb der DDR-Oberliga und der einzelnen Mannschaften war das Leistungsgefälle oft relativ groß. Impulse aus dem Ausland gab es nicht, die gängige Delegierungspraxis war häufig eher Bremse als Motor. Streich, der nach der ruhmreichen Spieler-Karriere 1985 gegen seinen Willen Cheftrainer beim 1. FC Magdeburg wurde, brachte es später auf den Punkt: "Wir schmorten im eigenen Saft."

Dennoch gab es neben Magdeburgs Sternstunde 1974 weitere Glanzlichter. Carl Zeiss Jena (1980/81 unter Hans Meyer) und Lok Leipzig (1986/87 unter Hans-Ulrich Thomale) schafften es jeweils ins Finale des Pokalsieger-Wettbewerbs. Auf dem Weg dahin schufen beide Teams Momente für die Ewigkeit: Jena mit dem rauschenden Erstrunden-Rückspiel gegen die AS Rom um Falcao, Bruno Conti und Carlo Ancelotti (4:0 nach 0:3 im Hinspiel), Lok mit dem epischen Halbfinal-Duell mit Girondins Bordeaux, bei dem Torwart René Müller im Elfmeterschießen zum Helden aufstieg. Das Finale von Athen verlor Leipzig im Mai 1987 gegen das von Johan Cruyff befehligte Star-Ensemble von Ajax Amsterdam um Frank Rijkaard, Jan Wouters, Arnold Mühren, Aron Winter und den 18-jährigen Dennis Bergkamp mit 0:1. Finaltorschütze: Marco van Basten, Weltstar in spe.

Auch Jena unterlag 1981 im Endspiel, 1:2 gegen Dinamo Tiflis in Düsseldorf - nach eigener Führung. Eberhard Vogel, mit 38 Jahren seinerzeit der Routinier der Thüringer und mit 440 Einsätzen Rekordspieler der DDR-Oberliga, sagte noch 30 Jahre nach dem Finale im Gespräch mit dem kicker: "Ich ärgere mich immer noch schwarz. Wir gingen nach 63 Minuten durch Hoppe in Führung und stürmten weiter drauflos, statt sie kommen zu lassen. Das war naiv. Wir hatten sie doch schon im Sack." Dachten sie - und irrten sich.

Steffen Rohr

BSG Aktivist Schwarze Pumpe, Turbine Halle und Co.: DDR-Teams früher und heute